Analyse
Eine interaktive Analyse des Altschuldenentlastungsgesetzes: Ist es eine nachhaltige Lösung oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Das Problem in Zahlen
Die Finanzlage der Kommunen in Nordrhein-Westfalen ist dramatisch. Um die Wirkung der geplanten Entschuldung zu verstehen, muss man zuerst das Ausmaß der Krise begreifen. Die folgenden Kennzahlen zeigen die Dimension der Verschuldung und der jährlichen Defizite, die den Kern des Problems bilden.
Ein Land, zwei Geschwindigkeiten
Die Schuldenlast ist extrem ungleich verteilt und spaltet das Land. Besonders betroffen sind die alten Industriestädte, während andere Kommunen finanziell solide dastehen. Das Diagramm zeigt die Pro-Kopf-Verschuldung ausgewählter Städte und macht die finanzielle Kluft sichtbar. Sie können die Ansicht sortieren, um die Extreme zu vergleichen.
Die Lösung? Das Entlastungspaket
Als Antwort auf die Krise hat das Land NRW ein Entlastungspaket geschnürt. Es handelt sich nicht um eine einfache Finanzspritze, sondern um eine echte Schuldübernahme, die nach einer gezielten Formel verteilt wird. Ziel ist es, die am höchsten verschuldeten Kommunen zu entlasten, ohne Gießkannenprinzip.
Mio. € pro Jahr vom Land NRW
Jahre Laufzeit des Programms
Mrd. € Gesamtentlastung durch das Land
Wie funktioniert die Verteilung?
Nur Kommunen mit mehr als 100€ Liquiditätsschulden pro Kopf sind antragsberechtigt.
Extrem verschuldete Städte werden so entlastet, dass sie danach max. 1.500€ pro Kopf an Altschulden haben.
Alle anderen berechtigten Kommunen erhalten eine einheitliche, prozentuale Entlastung (z.B. 50%).
Die Wirkung: Ein Tropfen auf den heißen Stein?
Dies ist die Kernfrage: Reichen 250 Millionen Euro pro Jahr aus, um die Situation nachhaltig zu verbessern? Das folgende Diagramm stellt die jährliche Entlastung den gewaltigen jährlichen Defiziten und Zinslasten gegenüber. Benutzen Sie den Schalter, um zu sehen, wie sich die Situation mit der (unsicheren) Bundesbeteiligung ändern würde.
Die entscheidende Bundes-Wildcard
Der Erfolg des gesamten Plans hängt von der Zusage des Bundes ab, die Hilfe zu verdoppeln. Diese Verdopplung auf 15 Mrd. € ist politisch jedoch höchst umstritten und erfordert eine Grundgesetzänderung. Das NRW-Gesetz ist also eine Wette auf ein politisches Gelingen in Berlin.
Die tieferen Ursachen
Die Altschulden sind nur ein Symptom. Die Krankheit ist eine strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen. Das "Konnexitätsprinzip" ("Wer bestellt, bezahlt") wird systematisch verletzt: Bund und Land übertragen den Kommunen immer neue, teure Aufgaben, ohne für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen.
Der Teufelskreis der Unterfinanzierung
Bund/Land beschließen Gesetze (z.B. Bürgergeld, Ganztagsanspruch).
Die Kosten für Personal und Umsetzung werden nicht vollständig erstattet.
Die Kommunen finanzieren die Lücke über "Kassenkredite" – neue Schulden entstehen.
NRW vs. Hessen: Ein entscheidender Unterschied
Andere Länder wie Hessen haben ihre Entschuldung an strenge Auflagen geknüpft. Der NRW-Ansatz verzichtet darauf, was seine Nachhaltigkeit in Frage stellt.
| Merkmal | NRW-Gesetz (2025) | Hessenkasse (2018) |
|---|---|---|
| "Kommunale Schuldenbremse" | Nein, keine harten Auflagen zur Verhinderung neuer Schulden. | Ja, strenge Haushaltsregeln als Bedingung für die Hilfe. |
| Kommunaler Eigenbeitrag | Nein | Ja, verpflichtender Beitrag der Kommunen. |
| Politischer Ansatz | Fokus auf Entlastung, weniger konfrontativ. | "Hilfe nur gegen Reform", Fokus auf Disziplin. |
Ausblick: Wege zur Nachhaltigkeit
Das Gesetz allein reicht nicht. Um die kommunale Handlungsfähigkeit dauerhaft zu sichern, ist eine umfassende Reformagenda auf drei Ebenen nötig. Die Entlastung muss als Chance begriffen werden, die strukturellen Probleme endlich zu lösen.
🏛️ Für das Land NRW
- Angemessenen finanziellen Ausgleich für alle vom Land an die Kommunen übertragenen Ausgaben einführen.
- Finanzausgleich reformieren und die Verbundquote erhöhen, um Einnahmen zu stärken.
🏛️ Für den Bund
- Bundesbeteiligung sicherstellen durch die notwendige Grundgesetzänderung.
- Konnexitätsprinzip endlich einhalten: Wer bestellt, muss auch bezahlen.
🏛️ Für die Kommunen
- Freiwerdende Mittel gezielt in den Abbau des Investitionsstaus lenken.
- Auf weitere Erhöhungen der lokalen Steuern verzichten.